EU-Bürgerin hat Anspruch auf BAföG-Leistungen

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück hat der Klage einer bulgarischen Staatsangehörigen auf Ausbildungsförderungsleistungen mit Urteil vom 10.12.2015 stattgegeben. Die Klägerin habe teils aufgrund europarechtlicher Vorschriften, teils aus dem aktuellen nationalen Recht, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), einen Anspruch darauf.

Die Ende 2013 in die Bundesrepublik eingereiste Klägerin nahm Anfang Oktober 2014 ein Studium an der Universität Osnabrück (Beklagte) auf, für das sie im September 2014 Leistungen nach dem BAföG beantragte. Diesen Antrag lehnte das zuständige Amt für Ausbildungsförderung der Beklagten ab, weil die für einen EU-Bürger erforderlichen persönlichen Voraussetzungen für BAföG-Leistungen nicht gegeben seien. Die Klägerin war seit Juli 2014 als Fitnesstrainerin bei einem Fitnessstudio angestellt. In dem zugrundeliegenden Arbeitsvertrag hatte sie mit ihrem Arbeitgeber eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von ca. 11 Stunden sowie eine Vergütung von 8,00 € pro Stunde vereinbart. Außerdem garantierte ihr der Arbeitsvertrag einen Urlaubsanspruch sowie eine Entgeltfortzahlung bei einer Arbeitsunfähigkeit infolge unverschuldeter Krankheit. Nach Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses zu Ende Februar 2015 hat sich die Klägerin mit einem eigenen Tanzstudio selbständig gemacht.

Laut Urteilsbegründung ergebe sich der Anspruch der Klägerin für den Bewilligungszeitraum vor dem 01.01.2015 aus der unmittelbaren Anwendung der so genannten EU-Freizügigkeitsrichtlinie, die die Bundesrepublik versäumt habe, rechtzeitig umzusetzen. Die maßgebliche Bestimmung der Richtlinie sehe vor, dass ein Unionsbürger, der eine Ausbildung absolviere und daneben ein Arbeitsverhältnis bekleide oder selbständig tätig sei, eine Ausbildungsförderung wie einem deutschen Staatsangehörigen zu gewähren sei. Bei der Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft folgte das Gericht nicht den Vorgaben eines ministeriellen Erlasses aus dem Jahr 2015, wonach eine EU-Arbeitnehmereigenschaft nur zu bejahen sei, wenn die Mindestwochenarbeitszeit 12 Wochen im Monatsdurchschnitt betrage und die Tätigkeit bei der erstmaligen BAföG-Antragstellung bereits seit mindestens 10 Wochen bestehe. Vielmehr genüge der von der Klägerin vorgelegte Arbeitsvertrag den Anforderungen einer EU-Arbeitnehmereigenschaft. Für den nachfolgenden Zeitraum ergebe sich der Anspruch der Klägerin aus dem BAföG in der aktuellen Fassung, wonach Unionsbürger dann persönlich anspruchsberechtigt seien, wenn sie, wie die Klägerin, als Arbeitnehmer oder Selbständige tätig seien.

Das Urteil (4 A 253/14) ist noch nicht rechtskräftig. Die Kammer hat die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Pressemitteilung des VG Osnabrück Nr. 24/2015 v. 14.12.2015, Kanzlei Dr. Engesser

Anmerkung: Das VG gibt hier der EU-Bürgerin einen gerechtfertigten Anspruch auf BAföG. Damit kommt es in Gleichklang zu der Rechtsprechung des BSG in den Fragen der Sozialhilfe für Ausländer. Gerade mit Blick auf den immer größer werdenden Wunsch der Wirtschaft und Politik eine internationale Ausbildung zu erhalten, ist dies eine wichtige Entscheidung. Ein positives Urteil, das gute Resonanz haben kann.